Date: 14. September 2021 | Photo: Geri Krischker | Autor: Alexander Lehrmann
Auf dem Weg zur smarten Fabrik führt kein Weg an Edge Computing vorbei. Die Technologie bildet die Grundlage für zukünftige Innovationen im Bereich Internet of Things, Augmented Reality und Robotik. Die beiden Sunrise UPC Experten Alexander Lehrmann und Eduard Huisman diskutieren, wie Industriebetriebe bei der Einführung von Mobile Edge Computing am besten vorgehen, was es zu beachten gilt und welche Chancen sich dadurch eröffnen.
Alexander Lehrmann, Development und Innovation: Eduard, Du bist jetzt schon seit mehr als 20 Jahren bei Sunrise für die Themen Netzwerk und Mobile Core Engineering zuständig. In dieser Rolle hast Du mit Deinem Team mitunter die Einführung des neuen Mobilfunkstandards 5G begleitet. Was beschäftigt Dich aktuell?
Eduard Huisman, Senior Engineer: Im Moment beschäftige ich mich sehr stark mit Mobile Edge Computing. Das Thema hat durch den Roll-out von 5G in den letzten Monaten deutlich Aufwind bekommen. Ein Schwerpunkt liegt für mich dabei in der Einführung der Technologie in der Industrie.
Wie würdest Du Edge Computing in Deinen eigenen Worten erklären? Und wie grenzt sich Mobile Edge Computing davon ab?
Edge Computing bedeutet im Grunde nichts anderes, als dass die Daten, die in einem Unternehmen generiert werden, lokal gespeichert und verarbeitet, statt in ein externes Rechenzentrum oder in die Cloud geladen zu werden. Dies hat mitunter den Vorteil, dass die Daten besser geschützt sind, verlassen sie doch das Unternehmen nicht. Von Mobile Edge Computing spricht man, wenn die Daten über einen mobilen Funkstandard wie 5G, statt über ein anderes Kommunikationsnetzwerk, übertragen werden. Zur Erschliessung der Betriebe mit 5G sind mobile Zellen innerhalb des Gebäudes notwendig.
5G liefert hohe Bandbreiten bei niedriger Latenz. Edge Computing, das auf diesem Standard aufsetzt, erlaubt damit die Echtzeit-Datenverarbeitung. Welche weiteren Vorteile hat es für Unternehmen, beim Edge Computing auf 5G zu setzen?
Ein wesentlicher Vorteil liegt darin, dass die Maschinen drahtlos an das Netz angeschlossen werden. Die Verkabelung entfällt. Dadurch bewahren sich gerade Industriebetriebe die höchstmögliche Flexibilität: Maschinen können jederzeit neu angeordnet und die Flotte ohne grossen Aufwand erweitert werden. Dies erlaubt es den Betrieben, schnell und unkompliziert auf sich verändernde Anforderungen an die Produktion zu reagieren.
Durch die zuvor erwähnte Echtzeit-Datenverarbeitung lassen sich gänzlich neue Anwendungen realisieren. Kannst Du einige Beispiele dafür nennen?
Mobile Edge Computing stellt eigentlich die Voraussetzung dar, um sich neue Technologien wie das Internet of Things, Artificial Intelligence, Augemented Reality oder die Robotik zu Nutze zu machen. Diese neuen Technologien ermöglichen dann wiederum innovative Anwendungen.
Ein Beispiel stellt die Automatisierung der Produktion dar. So können gefährliche Produktionsschritte von Robotern durchgeführt werden – beispielsweise, wenn es um den Umgang mit giftigen Substanzen oder sehr schweren Bauteile geht. Dadurch wird die Sicherheit der Mitarbeitenden erhöht und ihre Gesundheit geschützt. Und in der Wartung von Maschinen und dem damit verbunden Training der Mitarbeitenden können AR-Brillen verwendet werden. Über diese lassen sich Experten in wenigen Sekunden dazuschalten, welche die Mitarbeitenden in bester Auflösung aus der Ferne anleiten. Den Experten wird damit die Anreise erspart, während die Mitarbeitenden gleichzeitig befähigt werden, neue Aufgaben selbständig zu bewältigen.
Ein weiteres Szenario stellt die Optimierung der Logistikprozesse dar, indem die durch Sensoren gewonnen Daten der verschiedenen Fertigungsmaschinen direkt mit dem Lager geteilt werden. Dieses kann aufgrund der Informationen flexibel auf Veränderungen in der Produktion reagieren – beispielsweise, durch die Bestellung benötigter Bauteile.
Hast du auch ein Beispiel aus der Praxis – sagen wir zum Produktionsprozess bei einem Kunden?
Nehmen wir als Beispiel unseren Kunden Georg Fischer Machine Solutions. Dieser fertigt Maschinen für Hochpräzisionsteile – beispielsweise Bauteile für die Aviatik. An diesen wird teils bis zu drei Stunden gefräst. Werden Abweichungen dabei zu spät erkannt, kann es vorkommen, dass der Qualitätsstandard unter der Toleranzgrenze liegt. Das Teil ist damit unbrauchbar und muss entsorgt werden. Dank Edge Computing lassen sich solche Abweichungen während der Produktion in Echtzeit erkennen. Die Maschinen können auf Basis dieser Erkenntnisse neu kalibrieren, wodurch die Menge an unbrauchbarem Ausschuss reduziert wird. Edge Computing steigert somit die Produktionsqualität und senkt gleichzeitig die Herstellungskosten.
Edge Computing ermöglicht Industriebetrieben also die datengestützte Optimierung ihrer Prozesse. Welche Vorteile resultieren daraus?
Die Prozessautomatisierung sorgt dafür, dass bei den Mitarbeitenden mehr Ressourcen frei werden sowie die Sicherheit aller verbessert wird, die Wartung vorausschauend erfolgt und dadurch Maschinenausfälle reduziert werden. Die dadurch resultierenden Einsparungen bei den Services sowie die erzielten Effizienzgewinne führen zu deutlichen Kostensenkungen.
Du hast es erwähnt, Mobile Edge Computing ist eigentlich vor allem Mittel zum Zweck. Um dessen volles Potenzial auszuschöpfen, müssen Menschen und Maschinen miteinander kommunizieren und Prozesse mittels künstlicher Intelligenz automatisiert angestossen werden. Was ist dafür nötig?
Voraussetzung dafür ist die Vernetzung von Mensch und Maschinen über ein stabiles Kommunikationsnetzwerk. Ist die Grundlage vorhanden, geht es vor allem darum, die richtige Infrastruktur, sprich Hard- und Software, einzubinden. Sinnvollerweise setzt man dabei auf Tools mit standardisierten Schnittstellen, damit Anwendungen branchenübergreifend genutzt werden können.
Wo steht die Schweiz in Punkto Smart Manufacturing heute und wohin geht die Reise?
In den meisten Unternehmen ist die interne Vernetzung noch zu wenig fortgeschritten, um die bereichsübergreifende Kommunikation zwischen Mensch und Maschine zu ermöglichen. Nichtsdestotrotz ist die Schweiz im Bereich Smart Manufacturing vorne mit dabei. Wir sind bereits mit einigen grösseren Unternehmen in Kontakt, die Konzepte zu diesem Thema erstellt haben und nun die Umsetzung in Angriff nehmen möchten. Die Branche ist gut vorbereitet, um die nächsten Schritte hin zur vernetzten beziehungsweise intelligenten Industrie zu gehen.
Was ist denn für diese Schritte nötig?
Es braucht dafür ein Proof of Concept. Das heisst, geplante Projekte sollten erst in einer kleinen Umgebung getestet werden, um deren Umsetzbarkeit zu testen. Wenn sich die Konzepte bewiesen haben, ist die Skalierung auf die gesamte Firmenumgebung vergleichsweise leicht zu realisieren. Ich denke, im Verlaufe des nächsten Jahres werden wir einige Projekte umsetzen können.
Sprichst Du von Projekten mit Grossbetrieben oder sind Edge Computing und die damit verbundenen Möglichkeiten auch bei KMU bereits ein Thema?
Vorerst werden solche Projekte vornehmlich von Grossbetrieben umgesetzt, da diese über die nötigen Ressourcen verfügen. Für KMU sind die Initialkosten aktuell zu hoch. Dies vor allem auch deshalb, weil die Lösungen momentan noch zu wenig skalierbar sind. KMU brauchen in der Regel nicht den gleichen Funktionsumfang wie Grossunternehmen. Ich fahre schliesslich auch nicht mit einem Ferrari, wenn ich nur Steine transportieren will. Die verschiedenen Marktteilnehmer arbeiten deshalb bereits intensiv an Lösungen, die auf die speziellen Bedürfnisse von KMU zugeschnitten werden können.
Wie gehen Industriebetriebe, die den Weg zur Smart Factory auf sich nehmen wollen, am besten vor?
In einem ersten Schritt ist es wichtig, dass die Unternehmen ihre Prozesse genau analysieren, um das Optimierungspotenzial in ihrer Fabrik auszumachen. Denn niemand kennt die eigenen Prozesse so gut wie die Mitarbeitenden selbst. Anschliessend sollten sie die Anforderungen und Bedürfnisse mit einem ausgewählten Partner besprechen, um eine passende Lösung zu evaluieren. Denn nicht für alle Unternehmen lohnen sich die hohen Initialkosten für Edge Computing Lösungen heute bereits. Der Partner sollte auch Alternativen ins Feld führen können.
Idealerweise setzen die Unternehmen auf einen Partner, der selbst über ein gutes Netzwerk verfügt. Denn die Umsetzung der vernetzten, smarten Industrie verlangt ein reibungsloses Zusammenspiel zwischen Telekom- sowie Hard- und Softwareanbietern. Dann verbindet sich die physische mit der digitalen Welt von ganz alleine.
Sind Sie auf der Suche nach einem Partner, der Sie auf dem Weg zur Smart Factory begleitet?
Die Berater von Sunrise unterstützen Sie gerne. Im 5G Joint Innovation Center können Sie erste 5G-Anwendungen live erleben, testen oder auch neu entwickeln. Mit unserem kostenlosen ICT-Infrastrukturcheck prüfen wir zunächst Ihre aktuelle Situation vor Ort und entwickeln gemeinsam die passenden Lösungen für den Werkplatz von morgen.
Eduard Huisman
Eduard Huisman ist in den Niederlanden geboren und aufgewachsen. Sein beruflicher Werdegang brachte ihn über Suriname und die USA schliesslich in die Schweiz. Hier ist er bereits seit über 20 Jahre als Senior Engineer für Sunrise tätig. In dieser Rolle widmet er sich mit Herzblut der Entwicklung neuer Technologien. Er hat bereits die Einführung von 1G begleitet und ist jetzt ein Treiber des 5G-Ausbaus sowie der Forschung rund um 6G. Huisman ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. In seiner Freizeit ist der Sportbegeisterte oft an Seen oder in den Bergen anzutreffen.
Was ist denn für diese Schritte nötig?
Es braucht dafür ein Proof of Concept. Das heisst, geplante Projekte sollten erst in einer kleinen Umgebung getestet werden, um deren Umsetzbarkeit zu testen. Wenn sich die Konzepte bewiesen haben, ist die Skalierung auf die gesamte Firmenumgebung vergleichsweise leicht zu realisieren. Ich denke, im Verlaufe des nächsten Jahres werden wir einige Projekte umsetzen können.
Sprichst Du von Projekten mit Grossbetrieben oder sind Edge Computing und die damit verbundenen Möglichkeiten auch bei KMU bereits ein Thema?
Vorerst werden solche Projekte vornehmlich von Grossbetrieben umgesetzt, da diese über die nötigen Ressourcen verfügen. Für KMU sind die Initialkosten aktuell zu hoch. Dies vor allem auch deshalb, weil die Lösungen momentan noch zu wenig skalierbar sind. KMU brauchen in der Regel nicht den gleichen Funktionsumfang wie Grossunternehmen. Ich fahre schliesslich auch nicht mit einem Ferrari, wenn ich nur Steine transportieren will. Die verschiedenen Marktteilnehmer arbeiten deshalb bereits intensiv an Lösungen, die auf die speziellen Bedürfnisse von KMU zugeschnitten werden können.
Wie gehen Industriebetriebe, die den Weg zur Smart Factory auf sich nehmen wollen, am besten vor?
In einem ersten Schritt ist es wichtig, dass die Unternehmen ihre Prozesse genau analysieren, um das Optimierungspotenzial in ihrer Fabrik auszumachen. Denn niemand kennt die eigenen Prozesse so gut wie die Mitarbeitenden selbst. Anschliessend sollten sie die Anforderungen und Bedürfnisse mit einem ausgewählten Partner besprechen, um eine passende Lösung zu evaluieren. Denn nicht für alle Unternehmen lohnen sich die hohen Initialkosten für Edge Computing Lösungen heute bereits. Der Partner sollte auch Alternativen ins Feld führen können.
Idealerweise setzen die Unternehmen auf einen Partner, der selbst über ein gutes Netzwerk verfügt. Denn die Umsetzung der vernetzten, smarten Industrie verlangt ein reibungsloses Zusammenspiel zwischen Telekom- sowie Hard- und Softwareanbietern. Dann verbindet sich die physische mit der digitalen Welt von ganz alleine.