Experten-Interview
Transformation der Immobilien-wirtschaft braucht Ökosysteme19. April 2021 | Bilder: ConReal, iStock
Stefan Schärer ist Geschäftsführer der ConReal Swiss AG, dem digitalen Ökosystem für die Bau- und Immobilienbranche. Zudem ist er beteiligt an verschiedenen Prop- und Construction-Tech Start-ups. Als Experte für die Digitalisierung spricht Schärer im Interview darüber, wo die Branche diesbezüglich steht und wohin die Reise geht.
Stimmt es, dass die Digitalisierung in der Bau- und Immobilienbranche langsamer voranschreitet als in anderen Branchen? Wenn ja, woran liegt das?
Ja das stimmt. Und dies aufgrund verschiedener Faktoren. Einer dieser Faktoren ist die starke Fragmentierung des Bauprozesses. Es gibt bis heute keinen standardisierten Bauprozess. Jeder Bau ist anders, was die Komplexität weiter erhöht. Zudem verfolgen gerade kleinere am Bau beteiligte Unternehmen andere Prioritäten als die Digitalisierung. Sie verfügen nicht über die Ressourcen, auf die grössere Unternehmen zurückgreifen können. Es fehlt an Experten oder an den Budgets, um sich die entsprechenden Tools anzuschaffen.

Wie können KMU bei der Digitalisierung trotz weniger Ressourcen mit den grösseren Unternehmen Schritt halten?
Genau mit diesem Thema befasst sich unser Unternehmen ConReal. Das Ziel unseres Ökosystems ist es, diese Zielgruppe mit einer Toolbox voller digitaler Lösungen auszurüsten. Diese umfasst beispielsweise Prozessvorgaben oder eine Mischung aus Software und «Business as a Service». Das heisst, wir übernehmen teils per Software, teils durch Manpower administrative Tätigkeiten, damit sich ein kleinerer Betrieb voll auf seine Kernkompetenzen fokussieren kann.
In welchen Bereichen der Bau- und Immobilienbranche ist die Digitalisierung bereits weiter vorangeschritten, wo hinkt man hinterher?
Es gibt Branchen, die bereits früh mit der Digitalisierung gestartet haben. Zum Beispiel arbeiten Architekten für Visualisierungen seit Jahren mit CAD-Programmen. Grundsätzlich gilt natürlich, dass Branchen mit einem hohen Dienstleistungsgrad einfacher digitalisiert werden können als jene, in denen die Aufgaben physischer Natur sind.
Haben Sie da auch eine Antwort darauf?
Und was kommt in Zukunft?
In gewissen Teilbereichen wird es sicher die Möglichkeit für neue Geschäftsmodelle geben. Echte Disruptionen, wie es Uber beispielsweise geschafft hat, erwarte ich allerdings nicht. Es gibt spannende Ansätze wie Häuser, die praktisch aus dem Drucker kommen. Diese werden sich meiner Meinung nach in der Schweiz nicht durchsetzen, da das Land zu kleinflächig ist. Bereits Realität sind aber digitalisierte Prozesse im Holzbau – von der Planung über die gesteuerte Anlage zum fixfertigen Element. Das Ziel müsste sein, durch die Digitalisierung bestehender Prozesse die Produktivität von 1 Prozent auf 3 bis 5 Prozent pro Jahr zu steigern. Diesem Ziel werden wir uns schrittweise annähern.

Ist es realistisch, dass es eines Tages ein Ökosystem geben wird, das alle Schritte der Bau- und Immobilienbranche unter ein Dach bringt?
Nein, das glaube ich nicht – nur schon, weil die Weko (Wettbewerbskommission, anm. d. Redaktion) da aufgrund des Monopols einschreiten würde. Zudem bleiben die Freiheit, sich für eine Lösung zu entscheiden, sowie die Transparenz wichtige Faktoren in allen Bereichen. Ich bin deshalb überzeugt, dass es mehrere Ökosysteme geben wird, die idealerweise miteinander arbeiten.
Wer treibt den Fortschritt in der Bau- und Immobilienbranche?
In meinen Augen sind das oft kleine Start-up Unternehmen, die den Markt mit innovativen Lösungen aufmischen und die Möglichkeit haben, schnell zu agieren. Die Grossen haben dank ihrer Ressourcen, seien dies nun Experten oder Finanzen, das Potenzial, diese Start-ups zu fördern. Was die Konkurrenz aus dem Ausland betrifft, sind wir in dieser Branche etwas besser geschützt. Für ausländische Mitbewerber ist ein Markteintritt in der Schweiz aufgrund der Mehrsprachigkeit, der anders gearteten Reglemente und der Grösse des Landes nicht unbedingt lukrativ. Eventuell können sie Skaleneffekte nutzen, um einen Markteintritt rentabel zu gestalten.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um Innovationen zu ermöglichen?
Die Entwicklungen basieren auf einer wachsenden Intelligenz. Um diese zu erreichen, müssen Systeme eine wachsende Menge an Daten verarbeiten können. Die Möglichkeit zum Datenaustausch nimmt also eine wichtige Rolle ein. Hierfür braucht es, wie erwähnt, offene Schnittstellen aber auch grosse Rechenkapazitäten sowie die Einbindung in ein stabiles Kommunikationsnetz. Um neue Technologien wie Augmented Reality und Kollaborationstools nutzen zu können, sind die verschiedenen am Bau beteiligten Parteien auf gute Konnektivität angewiesen. Funkstandards wie 5G, die eine Datenübertragung in Echtzeit ermöglichen, stellen deshalb die Basis für den digitalen Fortschritt dar.
Und welche Rolle nimmt der Kulturwandel ein?
Das ist aufgrund der Corona-Krise ein hochaktuelles Thema. Die letzten Monate haben der Digitalisierung im Alltag einen Boost verliehen und damit die Akzeptanz erhöht. Ich glaube, damit haben wir bereits eine grosse Hürde genommen.
Verpassen Sie keine Innovations-News und abonnieren Sie
unseren Newsletter
Möchten Sie regelmässig über die datengetriebene Innovationen informiert werden? Dann
abonnieren Sie hier unseren Newsletter
Unsere Auszeichnungen
Kontaktieren Sie uns