«Holt mich nicht ab. Ich habe eine Woche nicht geduscht, ich stinke», schreibt Can Özdemir seinen Arbeitskolleginnen Sabrina und Tijana per Whatsapp. Doch die lassen sich davon nicht abschrecken und fahren trotzdem an den Flughafen Zürich. In der Ankunftshalle 2 warten sie ungeduldig auf Can. Sabrina steckt in einem Ski-Rennanzug in den Sunrise Farben, Tijana hält ein selbst gestaltetes Schild, auf dem in grossen Buchstaben «Welcome back Can» steht. Als sie den Ankömmling dann endlich erblicken, jubeln sie und schenken ihm eine herzliche Umarmung.
Hilfsanfragen im Whatsapp-Chat
Es ist der 20. Februar 2023, genau zwei Wochen nach dem verheerenden Erdbeben im Südosten der Türkei, und Can ist soeben wohlbehalten aus dem Erdbebengebiet zurückgekehrt. Sechs Tage lang hat er als Katastrophenhelfer in Pazarcik verbracht, dem Heimatort seiner Eltern.
Die ersten drei Tage verbrachte Can damit, Produkte wie Mehl, Salz, Wolldecken, Kohle und WC-Papier zu verteilen. Mit dem Auto seines Onkels holte er die Hilfsgüter bei den Stützpunkten ab und brachte sie zu den Bedürftigen. Dazu schloss er sich einer Whatsapp-Gruppe mit mehr als 1000 Mitgliedern an, in welchem die Anfragen gepostet wurden.
Nach drei Tagen übernahm die türkische Katastrophenschutzbehörde AFAD das Verteilen der Güter. Can half fortan dort, wo er gebraucht wurde. Er hörte den Menschen zu, die ihm von ihren Horrorerlebnissen und Alpträumen erzählten. Eine Frau, die er kennenlernte, fürchtete sich vor einem weiteren heftigen Beben, weshalb sie in der Nacht kein Auge zutun konnte. Can versprach ihr, vor ihrem Haus zu wachen und sie ihm Notfall rauszuholen. Er traf viele Menschen, deren Erspartes, welches hier oft zuhause aufbewahrt wird, unter Schutt und Trümmern lag. Diesen verteilte er Bargeld, das ihm seine Arbeitskolleginnen und -kollegen mitgegeben hatten.
Zittern statt schlafen
Sein Einsatz sei eine Achterbahnfahrt der Gefühle gewesen, meint Can. «Am meisten Angst hatte ich, als ich in die zerstörte Wohnung meiner Grosseltern ging, um Sachen für sie zu holen.» Doch auch schöne Momente habe er erlebt. Ihn berührte es, die glücklichen Gesichter der Kinder zu sehen, denen er Süssigkeiten gegeben hatte und die grosse Dankbarkeit eines Teenagers, dem er eine Powerbank geschenkt hatte.
Geschlafen hat Can in der Türkei kaum. Er hat zwar ein Plätzchen in einem Zelt gefunden, aber die eisigen Temperaturen um die null Grad liessen ihn zittern – die Öfen in den Zelten waren nachts wegen der Brandgefahr nicht in Betrieb.
Schon zuhause in der Schweiz konnte Can ab dem Zeitpunkt, an dem er vom Erdbeben gehört hatte, nicht mehr schlafen. Er grübelte pausenlos, wie er helfen könnte, sammelte Hilfsgüter und schrieb Firmen an. So konnte er beispielsweise eine grosse Kiste mit Powerbanks organisieren. Dass Can den Kopf nicht mehr bei der Arbeit hatte und es kaum mehr aushielt in der Schweiz, merkte auch sein Team. «Obwohl wir unterbesetzt sind und in Arbeit schwimmen war es für uns alle klar, dass wir Can unterstützen und den Hilfseinsatz ermöglichen wollten», sagt Sabrina.
Unterstützung von allen Seiten
Auch Furkan Fidan, der bei Sunrise als Grafik- und Webdesigner arbeitet, erhielt von seinem Vorgesetzten sofort das OK, als er spontan nach einer Woche Ferien fragte, um in der Türkei zu helfen. Furkan und Can schätzen das Entgegenkommen von Sunrise und die Flexibilität ihrer Teams sehr, da sie wissen, dass dies nicht selbstverständlich ist. «Mein Bruder wäre auch gern mitgekommen, erhielt die Erlaubnis von seinem Arbeitgeber jedoch nicht», erzählt Can.
Cédric Marty, der bei Sunrise fürs Thema Nachhaltigkeit zuständig ist, begrüsst die privaten Initiativen der Sunrise Mitarbeitenden und Teams. Und ergänzt: «Als Firma unterstützen wir die Erdbebenopfer finanziell.» So verdoppelt Sunrise den Betrag, welcher die Mitarbeitenden ans Schweizerische Rote Kreuz spenden.